Von Rache zum Recht – grandiose Aufführung der „Orestie“

Mit einer grandiosen Inszenierung der „Orestie“ hat die Theater-AG „Ludigaudens“ des Privaten St.-Josef-Gymnasiums Biesdorf einen Klassiker der Weltliteratur auf die Bühne gebracht. Vor knapp 2500 Jahren erdichtete der große Aischylos diese Tragödie um berühmte Gestalten der griechischen Mythologie, deren zentrale Aussage zeitlos, ja von einer frappierenden Aktualität ist.

Der Tantalidenfluch, die nicht enden wollende Rache- und Mordspirale im atridischen Königshaus, ist in vollem Gang: Ein Mord soll einen vorausgegangenen vergelten und zieht somit einen weiteren nach sich. Vor Rachsucht wahnsinnig tötet Klytaimestra (überzeugend emotional: Fiona Sonnen) ihren siegreich aus Troia heimgekehrten Ehemann Agamemnon (bestens besetzt mit Maximilian Hau), der zuvor die gemeinsame Tochter Iphigenie getötet hatte. Der gemeinsame Sohn Orestes wiederum (ausgezeichnet: Jakob Hummel) kann diese als Unrecht empfundene Tat nicht ungesühnt lassen und ermordet auf Anraten des Gottes Apoll seine Mutter Klytaimestra und deren Liebhaber Aigisthos (brillant: Benedikt Schmalen). „Blut fordert Blut“ - so heißt es mehrfach im Stück, und schnell wird klar, dass es aus diesem Teufelskreis kaum ein Entrinnen geben kann, zumal die Erinnyen auch noch die Fäden ziehen. Ein demokratisches Gerichtsverfahren unter der Schirmherrschaft der Göttin Athene (entschlossene Milde verkörpernd: Finja Heckel) bringt schließlich den Ausweg, und die rasenden Erinnyen lassen sich dazu bewegen, unter veränderten Vorzeichen als Eumeniden die Geschicke der Menschen fortan wohlwollend zu begleiten.

Um dem Inhalt den gebotenen Raum zu geben, haben die beiden Regisseurinnen und Leiterinnen der Theater-AG Stephanie Jost und Johanna Dillenburg auf ein überladenes Bühnenbild und übermäßig viele Requisiten verzichtet. Die Schauspieler waren in stilechte antikisierende Kostüme gekleidet, die Erinnyen jedoch – als Kontrapunkt – hatten als finstere Nachtgeschöpfe vampirhafte Züge mit zeitlosen, düsteren Elementen, die ihre immerwährende Präsenz in der Weltgeschichte als rasender Zorn und Vergeltung zum Ausdruck brachten. Als special effects beeindruckten darüber hinaus Licht- und Farbspiele, die in ausgewählten Szenen eingesetzt wurden und die jeweilige Atmosphäre perfekt untermalten. Die Rollen waren mit Bedacht besetzt, und man spürte bei jedem Einzelnen der jungen Akteure größtmögliches Engagement und echte Identifikation mit der Rolle, überhaupt vielfach Talent jenseits dessen, was man eigentlich von Schülern erwarten würde.  

„Das alte Recht ist tot“, so hieß es gegen Ende, und gemeint war der ewige Kreislauf von Rache und Vergeltung. Er kann durchbrochen werden, indem die Weisheit (im Stück verkörpert durch Athene) besonnen zu Wort kommt. Man möchte hoffen, dass dieser Appell, den die Schülerinnen und Schüler so überzeugend vorgebracht haben, auch 2500 Jahre nach seiner Niederschrift nicht ungehört bleibt.    

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